Zwei fremde Leben von Frank Goldammer Broschiert ISBN: 978-3423262552 |
Zeitgeschichte sehr spannend verpackt
Ein Buch was mich auf mehreren Ebenen neugierig gemacht hat.
Zum einen habe ich vom Autor Frank Goldammer schon zwei historische Krimis gelesen, die ich
sehr gelungen und authentisch fand, zum anderen bin ich selbst DDR-Kind und
habe mich mit diesem Thema noch nie wirklich beschäftigt.
Der Roman beginnt 1973 in Dresden. Polizeikommissar Thomas
Rust wartet vor dem Krankenhaus, um Nachricht über seine schwangere Frau zu
bekommen, die er gerade eingeliefert hat. Dabei kommt er mit einem Mann ins
Gespräch, dessen Frau auch im Krankenhaus liegt, aber gerade ihr Kind verloren
hat. Irgendwas kommt Rust merkwürdig vor und er hängt sich an den Fall, ohne zu
ahnen, dass dieser Fall sein ganzes Leben verändern wird.
Auch diesmal hat sich der Autor wieder an ein wenig bekanntes,
aber dafür umso erschreckendes Thema beschäftigt: Kindswegnahme, hier
Neugeborene, in der DDR. Dabei erzählt er die Geschichte von Ricarda, die 1973
ihr Kind verliert, offiziell ist es gestorben, aber Ricarda glaubt nicht daran,
sondern vermutet, dass es ihr weggenommen wurde. Denn schon damals gab es das
Gerücht, dass Eltern, die nicht ins Weltbild des Sozialismus passten, ihre Babys
weggenommen wurden, aber offiziell die Kinder gestorben waren. Ricarda kämpft
Jahrzehnte um die Wahrheit. Ihre Verzweiflung, gerade weil ihr keiner glaubt,
hat der Autor wunderbar beschrieben. Aber auch Rust entwickelt sich immer mehr
zu einem starken Charakter, der mich sehr an Max Heller, dem Kommissar aus
Frank Goldammers Serie aus dem Nachkriegsdresden. Rust glaubt an den
Sozialismus und ist praktisch ein treuer Diener des Staates, aber umso mehr er
sich in den Fall verbeißt, umso mehr Zweifel kommen.
Sehr gelungen ist auch der Übergang in der Wendezeit. Die
Freude und dann die schnelle Erkenntnis zu welchem Preis die Freiheit erkauft
wurde. Ricardas beruflicher Absturz und die Arroganz, mit der vor allem die
neuen westlichen Arbeitgeber ihr begegnet sind, hat mich sehr an meine Eltern
erinnert. Die Enttäuschung und auch Wut von einem Großteil der ehemaligen DDR-Bürgern
hat Goldammer im Charakter von Ricarda wunderbar beschrieben.
Dank der verschiedenen Handlungsstränge und auch Zeitebenen
hat der Autor ein gelungenes Bild der Thematik des „Kindesraubes“, aber auch
die Verstrickungen der Stasi mit der DDR und der BRD Regierung. Die
Charakterzeichnung ist realistisch, die Protagonisten haben ihre Schwächen und dürfen
sie auch zeigen. Der Spannungsbogen wurde wunderbar gehalten, ich konnte das
Buch kaum aus den Händen legen. Eine großartige Mischung aus Krimi und
wichtiger Zeitgeschichte. Dazu ein überraschendes Ende.
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